Sonntag, Dezember 22

„Von der Forschung zur Umsetzung“ – so lautete das Thema des Holzenergie-Symposiums, das vor kurzem mit Unterstützung des Bundesamts für Energie an der ETH Zürich durchgeführt wurde. Tatsächlich sind die Anwendungsbereiche für Energieholz so vielfältig, dass die verfügbaren Holzressourcen den Bedarf bei weitem nicht decken können. Mit Blick auf eine nachhaltige und klimaschonende Energieversorgung muss der CO2-neutrale Energieträger somit dort eingesetzt werden, wo fossil-freie Alternativen fehlen.

von Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

Gerade in der ländlichen Schweiz gilt Holz als eine Ressource, die nicht nur lokal vorrätig ist, sondern die immer neu nachwächst und damit praktisch zeitlos zur Verfügung steht. Diese Gewissheit droht nun allerdings im Zuge einer schleichenden Klimaerwärmung ins Wanken zu geraten. Das zumindest war die Hauptbotschaft des Keynote-Referats von Marc Hanewinkel am diesjährigen Holzenergie-Symposium in Zürich. Hanewinkel, Professor für Forstökonomie und Forstplanung an der deutschen Universität Freiburg, berichtete über seine Forschung zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den europäischen Baumbestand.

Fotolegende: Entwicklung wichtiger Baumarten bei einer weiteren Klimaerwärmung (Szenario A1FI). Grafik: Hanewinkel et al., 2013/bearbeitet B. Vogel

Die Fichte, heute die wichtigste Baumart für die Holzindustrie, droht mit dem Klimawandel aus weiten Teilen Europas verdrängt zu werden. Auch Laubhölzer wie Buchen und die einheimischen Eichen sind laut Hanewinkel auf dem Rückzug, mit höheren Durchschnittstemperaturen würden die Bäume zunehmend durch holzwirtschaftlich weit weniger wertvolle Baumarten wie die mediterranen Eichenarten ersetzt. „Das hat dramatische Auswirkungen für die Holzindustrie“, warnte Hanewinkel und untermauerte seine Aussagen mit Zahlen aus Deutschland. Dort seien im Zeitraum 2018 bis 2022 sieben bis acht Prozent des Waldbestandes unter anderem Stürmen, Trockenheit und dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen. Der Wald könne in der Folge seine wichtige Funktion als CO2-Senke immer weniger gut wahrnehmen, und die Menge an nachwachsendem Holz (und damit auch an Energieholz) werde wegen des Klimawandels künftig zurückgehen.

Prozessdampf und Spitzenlastdeckung

Holz kann vielfältig eingesetzt werden – dies gilt auch für die energetische Verwertung des Energieträgers. Die Nachfrage nach Energieholz ist denn auch gross. Und weil die Holzmenge in der Schweiz limitiert ist, kann der Energieträger nicht unbegrenzt zur Substitution fossiler Energieträger wie Erdöl und Gas eingesetzt werden. Daher komme man nicht darum herum, Holz nur dort einzusetzen, wo für den Ersatz fossiler Energieträger keine Alternativen zur Verfügung stehen, sagte Thomas Nussbaumer (Verenum AG), der die Fachtagung organisiert hatte. Nussbaumer stellte eine Studie vor, in der er die Verwertungspfade von Holz im Auftrag des Bundesamts für Umwelt untersucht hatte. Darin kam er zum Schluss, Holz sollte künftig hauptsächlich für die Erzeugung von industrieller Prozesswärme und für die Deckung von Spitzenlasten bei der Wärmeerzeugung für Gebäude im Winterhalbjahr eingesetzt werden. Gebäude und thermische Netze hätten dann typischerweise eine Wärmepumpe, die den Löwenanteil des Wärmebedarfs bestreitet, zudem eine Holzheizung, die in kalten Winterwochen den Zusatzbedarf deckt, so Nussbaumers Konzept.

Fotolegende: Auf dem Hobelwerk-Areal in Winterthur wird eine Holzheizung mit einer Wärmepumpe kombiniert. Foto: Scheco AG

Die Kombination von Holzenergie mit Wärmepumpen stand auch im Zentrum des Referats von Cordin Arpagaus von der Ostschweizer Fachhochschule (OST) am Standort Buchs (SG). Der OST-Wissenschaftler untersucht hauptsächlich Grosswärmepumpen für Mehrfamilienhäuser, Industrie und Wärmeverbünde. In Zürich stellte er Fallbeispiele von Wärmeverbünden vor, die Wärmepumpen (mit Erdsonden, Luft oder industrieller Abwärme als Wärmequelle) mit Holzheizungen (v.a. Holzschnitzel oder Pellets) kombinieren. Möglich sei auch eine Verbindung von Holzenergie mit Solarthermie, um so den Holzverbrauch im Sommer zu reduzieren, sagte Arpagaus. „Die Kombination von Holzheizungen und Wärmepumpen schonen die Ressource Holz und bieten Potenzial für Anwendungen wie Heizen und Kühlen, Holztrocknung, Abgaskondensation und die Nutzung von Strom aus Blockheizkraftwerken oder Photovoltaik zur Überbrückung der Winterstromlücke“, führte der Forscher aus. Werde ein Fernwärmenetz mit Holzheizwerk mit einer Grosswärmepumpe ausgerüstet, könne diese eingesetzt werden, um die Rücklauftemperatur abzusenken und so die Kapazität des Netzes zu erhöhen.

Qualitätssicherung ausweiten

Die Nutzung der Holzenergie hat in den letzten Jahrzehnten an vielen Stellen von den Ergebnissen aus der Forschung profitiert. Holzheizungen wurden effizienter, emissionsärmer und wirtschaftlicher im Betrieb. Zu verdanken ist diese Entwicklung auch dem Qualitätsmanagement (QM) Holzheizwerke. Dieser Expertenzirkel unterstützt Berufsleute aus der Holzenergie-Branche seit 2004 mit Fachbüchern und Ausbildungskursen. Aktuell arbeitet QM Holzheizwerke daran, die Prozesse zur Qualitätssicherung auf weitere Bereiche auszudehnen, beispielsweise Holzvergaser-Blockheizkraftwerke oder Anlagen zur Produktion von Pflanzenkohle, wie Stefan Thalmann (Verenum AG) an der Tagung ausführte. Hierzu sind innovative Konzepte und Messmethoden nötig, denen das Holzenergie-Symposium mehrere Referate widmete. Eines davon stellte Schnellmesstechniken vor, die künftig von Heizwerken eingesetzt werden könnten, um die Qualität des angelieferten Holzbrennstoffs z.B. hinsichtlich Feuchtigkeit, Aschegehalt oder Heizwert vor Ort zu bestimmen.

Mehr als nur CO2-neutral

Holzenergie gilt als CO2-neutral, weil bei der Verbrennung nur so viel Treibhausgas freigesetzt wird, wie die Bäume bei ihrem Wachstum aus der Atmosphäre aufgenommen haben. CO2-neutral zu sein, genügt in Zukunft möglicherweise nicht mehr. Gefragt sind heute nämlich Prozesse, die unter dem Strich die Treibhausgas-Belastung der Atmosphäre reduzieren. Wie eine solche Negativemissionstechnologie umgesetzt werden kann, wurde in Zürich mit einem Projekt aus der Kehrrichtverwertung dargestellt: Cinia Schriber arbeitet für das ZAR-CO2-Kompetenzzentrum an der Kehrrichtverwertungsanlage (KVA) Linth (GL), das für die KVA eine Anlage zur CO2-Abscheidung und Speicherung plant. Letztere soll rund neunzig Prozent des bei der Verbrennung entstandenen CO2 aus dem Abgas abscheiden. Die Inbetriebnahme ist für 2029 geplant. Das CO2 wird in flüssigem Zustand zu einer geeigneten geologischen Lagerstätte im Ausland (vermutlich einem ausgeförderten Erdgasfeld in Italien) transportiert.

Fotolegende: Umweltleistung der Kehrrichtverbrennungsanlage Linth ohne und mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS). Quelle: Tool zur Gesamtökologie-Bewertung für KVA von AWEL/Ramboll/ETH

„Damit die Schweiz das Netto-Null-Ziel erreicht, müssen die verbleibenden schwervermeidbaren Restemissionen kompensiert werden. Hier spielen die Negativemissionen der KVA-Branche eine zentrale Rolle, sind jedoch nicht ausreichend. Ein weiteres Potential sieht der Bund bei der Abscheidung und Speicherung von CO2 aus Punktquellen mit biogenem Material. Darunter fällt zum Beispiel auch die Erzeugung von Negativemissionen bei einem Holzheizkraftwerk“, sagte Schriber vor den Vertretern der Holzenergie-Branche. Die Abscheidung weist einen hohen Energiebedarf auf und ist mit erheblichen Kosten verbunden, und es braucht eine Logistik, um das abgeschiedene CO2 ins Endlager zu transportieren. Bei den Kosten gebe es für die Produzenten von Holzenergie gegenüber KVA-Betreibern Vor- und Nachteile, sagte Schriber: Während bei KVAs nur rund die Hälfte des verbrannten Siedlungsabfalls biogenen Ursprungs ist, verbrennen Holzheizwerke 100 % biogenes Material. Entsprechend können zu 100% Zertifikate für Negativemissionen erstellt werden, die meist einen höheren Erlös erzielen. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Anlagengrösse eines Holzheizkraftwerks geringer als die einer KVA, was höhere Kosten pro Tonne CO2 zur Folge haben kann.

Blick in die praktische Umsetzung

Das Holzenergie-Symposium lenkte den Blick „Von der Forschung zur Umsetzung“, und so gewährte die Fachtagung auch Einblicke in die aktuelle Praxis der Holzenergienutzung. Reinhold Spörl (Schmid AG energy solutions) stellte eine Lösung vor, die an Heizkesseln Abgaskondensation mittels Absorptionswärmepumpen umsetzt und den Wärmeertrag bei Verwendung feuchter Brennstoffe um 20 – 25% und mehr erhöht. Die Systeme wurden in Kooperation mit dem Spezialisten für Absorptionswärmepumpen StepsAhead entwickelt und erlauben nun auch einen Einsatz solcher Wärmepumpen mit Warmwasser anstatt Heisswasser als Antriebswärme. Wirtschaftlich ist der Mehraufwand für grössere Heizanlagen mit einer Leistung von über einem Megawatt. Laut Reinhold Spörl sind bei einem solchen System bspw. an einem 3,2 MW Biomassekessel je nach Einsatzbedingungen Amortisationszeiten von 3 bis 4,5 Jahren zu erwarten.

Fotolegende: Die Energie Ausserschwyz AG nutzt für ihr Wärmenetz am Zürichsee ein Holzheizkraftwerk. Foto: Energie Ausserschwyz AG

Harald Fichtl (Polytechnik Swiss AG) stellte an der Zürcher Tagung den Wärmeverbund von Energie Ausserschwyz vor. Als zentraler Energieerzeuger dient eine Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlage, die bisher mit rund 60 % Altholz (Klasse A1 und A2) befeuert wird. Trotz dieses mitunter problembehafteten Brennstoffs liegen die Abgaswerte (NOx, CO, SO2, HCI, Feinstaub) deutlich unter den Grenzwerten, wie Fichtl ausführte. Die jährlich 2’500 t Asche werden deponiert bzw. unterirdisch in ein ehemaliges Salzbergwerk eingelagert. Bei allen positiven Erfahrungen sei zweieinhalb Jahre nach Betriebsbeginn noch weiteres Optimierungspotenzial vorhanden, sagte Fichtl.

Tagungsdokumentation ist verfügbar unter: https://www.holzenergie-symposium.ch

Auskünfte zur Tagung erteilt Sandra Hermle (sandra.hermle[at]bfe.admin.ch), Leiterin des BFE-Forschungsprogramms Bioenergie.

Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Bioenergie finden Sie unter  www.bfe.admin.ch/ec-bioenergie

 

 

 

 

 

 

 

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