Noch nie habe ich eine Kolumne über den Sport geschrieben. Journalisten und Kommentatoren in der Schweiz sind eine Institution. Vergessen wir nicht den Velokommentar « Du schickst mir den Rominger nie mehr zum Pipi machen», als das Mikrofon noch an war, den «Schnurri der Nation», welcher sogar ältere Damen vor dem Fernsehschlaf zum Leben erweckte, oder den «Neuzeitreporter», der so viel redet, schlimmer als ein Wasserfall, die Themen miteinander vermischt und den Song Sweet Caroline von Neil Diamond jemand anderem für die Tantieme unterjubelte.
Euphorie ist das Geschäft am Mikrofon
Nur einige Sätze für die Menschlichkeit, für den Anstand und für den Frieden – mehr Worte kann man nicht finden, nach einer Traumeuropameisterschaft. In fast jedem Land gab es neue Rekorde der Zuschauerzahlen, welche die Übertragungen am Fernsehen oder anderen Kommunikationsmitteln mitverfolgten. In allen grösseren Städten wurde das Public Viewing zelebriert. Multikulti vereinte sich auf den Strassen, in den Bistros und Cafés, in den Gärten beim Grillen oder einfach daheim in den eigenen vier Wänden. Flaggen und Fähnchen wurden von 24 Nationen geschwenkt, wo möglich haben sich auch noch andere Länder eingeschlichen. Fanmärsche auf den Hauptstrassen waren so gross und lang, dass in den deutschen Metropolen nicht nur der Zug-, sondern auch noch den Strassenverkehr lahmgelegt wurde. Einfach schön, die Kulissen zu sehen und zu hören.
Es war ein Fussballfest der Superlative: keine Ausschreitungen, wenig falsche Interpretationen des Jubels und eine Menge Feinfühligkeit gegenüber dem Kontrahenten/Partner, in jeglicher Hinsicht. Grenzen und Rekorde wurden in vielen Belangen überschritten, junge Spieler verzauberten die Welt, wie einst Pelé.
Am Gesang der Nationalhymnen muss noch bei einigen gearbeitet werden – oder der Text sollte verständlicher gemacht werden, damit auch diese Hemmschwelle gelöst werden kann. Schiedsrichter sind wie Politiker, einmal links, einmal Mitte und, naja, auch eventuell mal rechts. Doch das Eingreifen des VAR (Video Assistant Referee) wäre eigentlich nicht immer nötig gewesen. Faire Diplomatie findet auch bei solchen Kleinigkeiten einen Weg, den Gewinner zu ermitteln.
Der EM-Ball ist mit seinen Farben sicher unter Verschluss in der Vitrine und das Olympische Feuer brennt. Hoffen wir alle, dass die Spiele in Frankreich einen gleichen tollen Erfolg für den Respekt zollen werden und freuen wir uns auf viele wunderbare Highlights der Topathleten in den Stadien und auf den Strassen Frankreichs. Vive la France!
Es geht nicht immer nur um Fussball und olympische Medaillen, es geht auch um die Werte. Die Athleten und Spieler sind Vorbilder für die Gesellschaft, für den Ehrgeiz und den Arbeitswillen. Diese Generation ist ein Beispiel für die Art und Weise, Wichtiges zu gewinnen, und steht selbstverständlich auch für das Völkerverständnis.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Restsommer und einen goldenen Herbst. Bleiben Sie sportlich! Bis bald Euer Coach