von Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
Wärmepumpen sind energieeffizient und klimafreundlich. Sie brauchen dann besonders wenig Strom, wenn sie Heizwärme bei niedrigen Temperaturen von 30 bis 40 Grad Celsius bereitstellen. Es liegt somit nahe, herkömmliche Radiatoren, die Temperaturen von 60 und mehr Grad benötigen, durch Wärmeabgabesysteme niedriger Temperatur zu ersetzen. Ein aktuelles Forschungsprojekt hat Potenzial und Kosten dieser Lösung untersucht und mit anderen Massnahmen zur Gebäudeerneuerung verglichen.
Moderne, gut gedämmte Neubauten sind oft mit Fussbodenheizungen ausgestattet, die im Heizungsvorlauf mit einer Temperatur von 30 bis 35 Grad Celsius auskommen. Ältere Gebäude werden hingegen in den meisten Fällen über Radiatoren beheizt, die von rund 60-grädigem Wasser durchströmt werden. Solch hohe Temperaturen sind unerwünscht, wenn die Heizwärme durch eine Wärmepumpe bereitgestellt wird. Bei hohen Vorlauftemperaturen arbeiten diese Heizungen nämlich weniger effizient, haben also einen höheren Strombedarf. Insbesondere in den kalten Wintermonaten führt das zu einer erhöhten Netzbelastung.
Vor diesem Hintergrund ist es wünschbar, dass auch in Bestandsbauten Wärmeabgabesysteme mit tiefen Vorlauftemperaturen zum Einsatz kommen. Solche Systeme sind bisher selten im Einsatz, werden auf dem Markt aber angeboten. Es handelt sich um Heizkörper, die viel Wärme abgeben können, weil sie eine besonders grosse Fläche haben oder mit Ventilatoren ausgerüstet sind (vergleiche Textbox). Alternativ können im Zuge von Sanierungen Fussbodenheizungen eingebaut werden. All diese Wärmeabgabesysteme können mit Vorlauftemperaturen von 30 bis 40 Grad Celsius betrieben werden – 15 bis 35 Grad weniger als in vielen Bestandsbauten heute üblich.
Modellierung an fünf Gebäuden
Das Beratungsbüro Lemon Consult AG (Zürich) und die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) haben in einem Forschungsprojekt das Potenzial von Wärmeabgabesystemen mit niedriger Temperatur untersucht. Dazu wurden Endenergieverbrauch, Treibhausgasemissionen für Erstellung und Betrieb sowie die Kosten solcher Systeme am Beispiel von fünf realen, digital nachgebildeten Bestandsbauten aus dem Raum Zürich modelliert (mit der Software IDA ICE). Als alternative Sanierungsmassnahmen wurden eine energetische Teilsanierung (neue Fenster, Dämmung von Estrichboden / Dach und Kellerdecke) beziehungsweise eine Vollsanierung (inklusive Wärmedämmung der Fassade) modelliert. Alle Berechnungen bezogen sich auf die Heizwärme; die Bereitstellung von Warmwasser wurde nicht mit einbezogen. Das Projekt wurde durch das BFE, das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) der Stadt Zürich sowie die Dr.-Stephan-à-Porta-Stiftung finanziert.
Die Berechnungen bestätigen den energetischen Nutzen von Flächenheizungen (Fussboden-, Wand- oder Deckenheizungen), aber auch von Niedertemperatur-Heizkörpern. So sinkt der Endenergie- und Leistungsbedarf von Wärmepumpen beim Einsatz von Niedertemperatur-Heizkörpern um rund einen Drittel (vergleiche Grafik 01): Dank der tieferen Vorlauftemperaturen laufen die Wärmepumpen mit einer höheren Effizienz (Jahresarbeitszahl). Während die Reduktion der Endenergie vor allem zu reduzierten Betriebskosten führt, wirkt sich die Reduktion der Leistung positiv auf die Belastung des Stromnetzes aus. Zum Vergleich: Realisiert die Bauherrschaft zusätzlich zum Ersatz des Wärmeabgabesystems eine Teilsanierung, bringt das in Bezug auf die Endenergie kaum einen Zusatznutzen, verursacht jedoch Mehrkosten. «Erst mit einer Vollsanierung einschliesslich Fassade lässt sich der Endenergieverbrauch nochmals markant senken», sagt Projektleiter Mario Roost (Lemon Consult).
Hürden bei der Umsetzung
Fussboden- und andere Flächenheizungen werden heute in Neubauten standardmässig eingesetzt. Die Ausrüstung von Bestandsbauten mit Wärmeabgabesystemen niedriger Temperatur hingegen wird noch kaum praktiziert. Das liegt unter anderen an den praktischen Hürden, die sich bei der Umsetzung ergeben können. So kann der Einbau von grossflächigen Heizkörpern am fehlenden Platz scheitern, und der Einbau von Fussbodenheizungen ist im bewohnten Zustand kaum möglich. Hinzu kommt, dass oftmals auch die Heizverteilleitungen ersetzt werden müssen, um die grösseren Durchflussmengen infolge der tieferen Vorlauftemperaturen zu bewältigen. Bei bestehenden Wärmepumpen mit Erdwärmesonden kann die Umstellung zudem zu einer Unterkühlung der Sonde führen, weil dem Erdreich aufgrund der verbesserten Effizienz der Wärmepumpe mehr Wärmeenergie entzogen wird. Um dies zu verhindern, müssen entsprechende Zusatzmassnahmen ergriffen werden (zum Beispiel Regeneration der Erdsonde, zusätzliche Sonden).
Das Projektteam hat auch die Kosten von Niedertemperatur-Wärmeabgabesystemen untersucht. Hierbei wurde angenommen, dass die Heizkörper und Heizverteilleitungen ersetzt werden. Zusätzlich wird die bislang fossile Wärmeerzeugung durch eine Luft / Wasser-Wärmepumpe ersetzt. Den Kostenberechnungen legten die Forscherinnen und Forscher wieder die fünf Modellgebäude zugrunde.
Kosten und Einsparungen
Die Berechnungen des Expertenteams sollen hier an einem dieser Gebäude (Objekt A) beispielhaft veranschaulicht werden: Bei dem vierstöckigen, 1926 erbauten Wohnhaus mit acht Wohnungen wird die bisherige Ölheizung durch eine Luft / Wasser-Wärmepumpe ersetzt. Die Investition beläuft sich auf 125’000 Schweizer Franken Zusätzlich wird das bestehende Wärmeabgabesystem, welches eine Vorlauftemperatur von maximal 65 Grad Celsius aufweist, durch ein Niedertemperatur-Wärmeabgabesystem (maximale Vorlauftemperatur 40 Grad Celsius) ersetzt: Die neuen Heizkörper (77’000 Schweizer Franken) und die neue Heizverteilung (58 000 Schweizer Franken) kosten 135’000 Schweizer Franken Durch den Einbau der Niedertemperatur-Heizkörper können die Betriebskosten der Wärmepumpe um jährlich 2 200 Schweizer Franken gesenkt werden. Während des 30-jährigen Lebenszyklus der Heizanlage ist aufgrund Einsparungen an Stromkosten ein Pay-back von rund 66’000 Schweizer Franken zu erwarten, was der Hälfte der Kosten des neuen Wärmeabgabesystems entspricht.
Für Mario Roost ist klar: «Der Wechsel zu einem Wärmeabgabesystem, das mit niedrigerer Temperatur arbeitet, ist eine kosteneffiziente Massnahme zur Reduktion des elektrischen Energie- und Leistungsbedarfs.» Für ihn und das Projektteam sind die Vorzüge eines Niedertemperatur-Wärmeabgabesystems im Falle einer Wärmeerzeugung mit Wärmepumpe eindeutig: So laufen Luft/Wasser-Wärmepumpen an kalten Wintertagen in Bestandsbauten mit klassischen Radiatoren (Vorlauf 60 Grad Celsius und mehr) mit einem COP von lediglich 1.6 bis 1.8. Ein Niedertemperatur-System verbessere die Effizienz der Wärmepumpe in diesem Fall um 50 Prozent, was zu einem COP von 2.5 führt.
Vorlauftemperatur begrenzen?
Vor diesem Hintergrund plädiert das Projektteam für regulatorische Vorgaben, die darauf abzielen, die Vorlauftemperaturen in Bestandsbauten durch den Einsatz von Niedertemperatur-Wärmeabgabesystemen zu senken. Einen weiteren Hebel zur vermehrten Nutzung von Niedertemperatur-Heizkörpern sieht das Team bei Fördermassnahmen: «Wünschbar wäre, dass der Einsatz von Niedertemperatursystemen in Bestandesbauten ebenfalls gefördert würde wie neue Heizungen und Wärmedämmung», fordert Mario Roost. «Aus Sicht des Klimawandels wäre es zudem sinnvoll, wenn unsere Förderprogramme (zum Beispiel Gebäudeprogramm) und Systeme zur Bewertung von Gebäuden (zum Beispiel GEAK) ergänzend zur Effizienz auf CO2-Emissionen fokussieren würden.»