Montag, Juli 7

Stefan Freivogel hat in seiner Karriere Ziele erreicht, von denen viele Leistungssportler*innen noch träumen: Als Handballer gewann er mit Pfadi Winterthur die Schweizer Meisterschaft und gehörte über Jahre hinweg zur Spitzenklasse des nationalen Sports. Heute bringt er seine sportliche Erfahrung in die Wirtschaft ein – und steht Sportler*innen sowie Unternehmen bei wirtschaftlichen Fragen zur Seite. In einem Interview haben wir mit Stefan Freivogel über seinen gelungenen Übergang vom Spitzensport in die Businesswelt bei BDO gesprochen.

PRESTIGE Business: Herr Freivogel, Sie haben jahrelang sehr erfolgreich Handball gespielt und sogar die Schweizer Meisterschaft gewonnen. Nun sind Sie in die Wirtschaft übergetreten. War dieser Schritt schwer für Sie oder haben Sie sich sofort wohlgefühlt in diesem neuen Feld?

Stefan Freivogel: Rückblickend war dieser Schritt einfacher getan als anfangs gedacht. Mir war bewusst, dass meine Handballkarriere irgendwann enden würde. Aus diesem Grund habe ich mir bereits damals Gedanken über die Zeit danach gemacht. Auch wenn der Sport im Zentrum stand, hat mich das Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen stets begleitet. Nicht zuletzt deshalb habe ich Wirtschaftswissenschaften studiert. Der Wechsel in die Wirtschaft fühlte sich daher natürlich an – besonders, weil ich heute in Winterthur arbeite, wo ich lange gespielt habe und durch den Sports Desk auch den Bezug zur Sportwelt beibehalten kann.

Was genau hat Sie dazu bewegt, nach Ihrer sportlichen Karriere in die Wirtschaft zu wechseln, und warum haben Sie sich entschieden, in die Unternehmensberatung einzusteigen?

Ich hatte während des Studiums einige Kommilitonen, die im Bereich der Beratung arbeiteten, und war damals schon davon fasziniert. Besonders gereizt haben mich das hohe Tempo, die steile Lernkurve und die Vielfalt der Kundinnen und Kunden. Ausserdem gewinnt man in der Beratungstätigkeit ein enormes, breites Wissen. Es ist ein dynamisches Umfeld – so, wie ich es vom Sport gewohnt war. Genau diese Dynamik, kombiniert mit meinem persönlichen Interesse, hat meine Entscheidung für die Unternehmensberatung geprägt.

Wie viele von Ihren Fähigkeiten als Handballer konnten Sie auf Ihre wirtschaftliche Karriere übertragen? Oder gibt es bestimmte Grundsätze, die in beiden Bereichen gelten?

Ich denke, ich konnte auf jeden Fall etwas davon mitnehmen. Ich sehe den Sport als Lebensschule, denn dort werden Skills wie Leadership, Engagement, Struktur und Disziplin vermittelt. Besonders der Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen, wie ich ihn im Sport gelernt habe, hilft mir heute in meinem Arbeitsalltag. Teamsport lehrt einen zudem, zusammenzuarbeiten und aufeinander einzugehen – ein zentraler Skill, welcher die Sport- und Businesswelt verbindet.

Mit wie viel Vorwissen sind Sie in die Unternehmensberatung gestartet, und welche Skills mussten Sie bei Ihrem Einstieg erst noch lernen?

Ich hatte natürlich schon ein Grundwissen aus meinem Studium, das mir den Einstieg erleichtert hat. Nach dem Studium habe ich glücklicherweise auch gewisse Erfahrungen sammeln können, was mir sicher auch geholfen hat zu verstehen, wie ein Unternehmen beziehungsweise ein Grossunternehmen funktioniert. Aber die Realität im Unternehmensalltag ist natürlich komplexer als die Basics aus dem Studium. Ich musste mir das aneignen, was man nicht im Lehrbuch findet, sondern nur im Tagesgeschäft lernt – etwa das technische Verständnis im Umgang mit digitalen Tools für die Zusammenarbeit oder die Projektsteuerung. Aber das gehört wohl dazu, wenn man in einen neuen Beruf einsteigt.

Wie sieht Ihr beruflicher Alltag als Leiter des Sports Desk bei BDO aus? Mit welchen Anliegen kommen Sportler*innen zu Ihnen?

Ich habe drei zentrale Aufgaben bei BDO. Zum einen ist es der Aufbau der neuen BDO-Niederlassung in Winterthur, die ich gemeinsam mit meinem Kollegen Beat Mörgeli leite – vom Teamaufbau bis hin zur Entwicklung passender Dienstleistungen für unsere Kund*innen. Zum anderen berate ich Vereine und Unternehmen aller Grössen im Bereich Risk Advisory. Mein dritter Aufgabenbereich ist der Sports Desk. Hierbei geht es vor allem darum, eine umfassende Beratung im Bereich Sport anzubieten – seien es Treuhandthemen oder komplexe Fragestellungen rund um Nachhaltigkeit oder Cybersecurity. Wir betreuen Kundinnen und Kunden aus dem gesamten Sportsystem: Einzelsportler*innen ebenso wie Verbände, Vereine und Organisationen, auf nationaler wie internationaler Ebene. Die Themen sind dabei so vielfältig wie unsere Mandate.

Gab es bereits Anliegen von Kunden, mit denen Sie früher selbst zu kämpfen hatten?

Definitiv. Ich glaube, als Sportler liegt der Fokus allgemein darauf, zu trainieren, zu spielen und Leistung zu bringen, wodurch man für andere Dinge kaum Zeit findet. Themen wie Steuern oder Sozialversicherung habe ich dabei eher ausgeblendet. Heute ist mir klar, wie wichtig eine gute Beratung besonders für Einzelsportler*innen oder international aktive Athlet*innen ist. Besonders in sozialversicherungstechnischer Hinsicht oder bei Mehrwertsteuerthemen hätte ich mir damals jemanden an meiner Seite gewünscht, der den Überblick behält. Vor allem für Sportler*innen, die oft international unterwegs sind, ist es wichtig, genauestens über ihre Rechte aufgeklärt zu werden. Genau da setzen wir an. Wir bieten Workshops oder Einzelberatungen an, damit sich die Sportler*innen dann aufgeklärter und sorgenfreier ihrem Sport widmen können.

Als Sportler*in ist man bekanntlich an gewisse Routinen und Einstellungen gewöhnt. Gab es eine Eigenschaft aus dem Sport, die Sie beim Einstieg in die Wirtschaftsbranche anpassen mussten?

Es gab da tatsächlich zwei Dinge, die ich ändern musste. Zum einen war es meine Denkweise und zum anderen war es meine Art, Feedback zu geben. Die Denkweise im Sport ist viel schnelllebiger und weniger langfristig. Als Sportler*in denkt man eher von Spiel zu Spiel, von Training zu Training oder vielleicht mal von Saison zu Saison, aber nicht viel darüber hinaus. In der Wirtschaft hingegen muss man viel langfristiger planen. Auch was Feedback angeht, ist es im Sport sehr viel direkter und ungefilterter. Im Büroalltag hingegen sind Diplomatie und Fingerspitzengefühl entscheidend. Für mich war es jedoch keine grosse Herausforderung, mich darauf einzustellen. Mir ist eine Kommunikation wichtig, die offen, zugleich aber respektvoll und wertschätzend ist.

Hatte der Teamsport einen Einfluss auf Ihre Arbeitsweise? Wenn ja, was sind Bereiche oder Ereignisse, in denen dies am deutlichsten spürbar ist?

Ich glaube, der Wunsch, sich täglich verbessern zu wollen, die Wissbegierde und das gemeinsame Hinarbeiten auf ein Ziel haben meine Arbeitsweise extrem geprägt. Im Teamsport lernt man ausserdem, wie man sich in einer Gruppe bewegt und agiert – was sehr hilfreich dabei ist, Teamspirit innerhalb eines Geschäfts zu entwickeln. Im Büro versuche ich, das Beste aus jeder Trainingserfahrung meiner Karriere herauszupicken und es in meinen Führungsstil zu integrieren.

Sport hat ja bekanntlich auch viel mit Adrenalin zu tun. Vermissen Sie manchmal diesen Adrenalinkick aus dem Sport? Und was tun Sie, um neben der Arbeit einen Ausgleich zu erhalten?

Diese intensiven Emotionen, die der Sport mit sich bringt, erlebt man tatsächlich im normalen Berufsalltag kaum. Vergleichbar mit diesen Emotionen waren nur diejenigen bei der Geburt meiner Kinder. Dieses Adrenalin, diese Aufregung vor, nach und während eines Spiels – das macht schon irgendwie süchtig. Was ich ausserdem sehr vermisse, ist das Leben in der Kabine. Man sieht seine engsten Kollegen täglich, ohne sich verabreden zu müssen. Natürlich habe ich auch heute grossartige Menschen im beruflichen Umfeld um mich herum, aber die Intensität ist einfach eine andere. Glücklicherweise finde ich im Familienleben einen guten Ausgleich. Meine Prioritäten haben sich verschoben, aber Sport spielt nach wie vor eine grosse Rolle in meinem Leben.

Viele Sportler*innen haben Angst vor der Zeit nach ihrer sportlichen Karriere. Welchen Rat würden Sie ihnen hierfür geben?

Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich bewusst macht, durch den Sport besondere Skills zu besitzen. Sportler*innen bringen Stärken wie Disziplin, Belastbarkeit und ein breites Netzwerk mit – Dinge, die im wirtschaftlichen Umfeld wunderbar eingesetzt werden können. Es gibt viele tolle Programme für den Übergang in die zweite Karriere. Mein Rat an junge Sportler*innen wäre also, diese Programme und das Netzwerk zu nutzen, das sie im Sport aufbauen. Das wird später sehr hilfreich sein. Ganz wichtig beim Einstieg in ein neues Feld ist, sich selbst treu zu bleiben, sich nicht für andere zu verstellen und seine eigenen Werte nicht aus den Augen zu verlieren.

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