Montag, September 29

Die Baustoffbranche zählt zu den grossen Energie- und Ressourcenverbrauchern  – und befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Wandel, um den Anforderungen der Dekarbonisierung und der Kreislaufwirtschaft gerecht zu werden. Klaus Födinger und Hannes Eisner stehen an der Spitze von JURA Materials, einem der führenden Unternehmen der Branche in der Schweiz. Im Interview geben sie Einblick in die aktuellen Entwicklungen und erläutern, wie sie Nachhaltigkeit und Wachstum miteinander in Einklang bringen wollen.

Interview mit Klaus Födinger und Hannes Eisner

Die Managing Directors Klaus Födinger (links) und Hannes Eisner (rechts) leiten gemeinsam JURA Materials.

SCHWEIZER WIRTSCHAFT: Welche Strategien verfolgt JURA Materials im Bereich Nachhaltigkeit?
Klaus Födinger (KF): JURA Materials verfolgt als Teil der CRH-Gruppe – eines der weltweit führenden Unternehmen in der Baustoffindustrie – klare Strategien in den Bereichen Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Wassermanagement. In vielen Bereichen zählen wir zu den Vorreitern – sowohl innerhalb der Gruppe als auch auf dem Schweizer Markt. Nur ein Beispiel: Die Zementindustrie ist hierzulande für rund fünf Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Seit den 1990er-Jahren konnten wir diese bereits um 35 Prozent senken und wollen noch weitergehen: Gemeinsam mit unserem Mutterhaus CRH haben wir uns das Ziel gesetzt, die Emissionen bis 2030 um weitere 30 Prozent gegenüber 2021 zu reduzieren. Dafür investieren wir gezielt in unsere Anlagen und setzen konsequent auf Innovation.

Anstatt Kohle aus weit entfernten Ländern dienen ausgediente Pneus als Energieträger.

Wie stellt sich JURA Materials der anspruchsvollen Herausforderung der Kreislaufwirtschaft?
Hannes Eisner (HE): Allein in der Schweiz werden jährlich über fünf Millionen Tonnen Rohmaterial für die Zementproduktion verarbeitet. Unser Ziel ist es, diesen Bedarf so weit wie möglich durch alternative Rohmaterialien zu decken. Bereits heute gelingt es uns im Zementwerk Wildegg, rund 15 Prozent der primären Ressourcen durch Materialien wie kalkhaltigen Aushub oder Holzaschen zu ersetzen. Auch im Bereich Beton setzen wir konsequent auf Kreislaufwirtschaft: Ein wesentlicher Anteil unserer Produkte besteht aus wiederverwerteten Gesteinskörnungen sowie recyceltem Beton- und Mischabbruch. So leisten wir einen aktiven Beitrag zur hohen Recyclingquote dieses Stoffstroms, die in der Schweiz derzeit bei rund 85 Prozent liegt.
KF: Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für unser Know-how in der Kreislaufwirtschaft ist das Projekt Tunnel Kaiserstuhl auf der A8 im Kanton Obwalden. Hier konnten wir unsere Stärken als Gesamtlösungsanbieter voll ausspielen: von der präzise abgestimmten Logistik über die Lieferung grosser Mengen unterschiedlichster Betonsorten bis hin zur professionellen Aufbereitung, dem Recycling und der fachgerechten Entsorgung des Aushubmaterials.

Ein Kommandoraumwart überwacht die Zementproduktion im JURA CEMENT-Werk Wildegg.
Und wie packen Sie die Herausforderung der Dekarbonisierung der Baustoffindustrie an?

KF: Ziel von JURA Materials ist es, den durchschnittlichen Klinkergehalt unserer Zemente um 24 Prozent zu reduzieren. Das ist ein entscheidender Schritt, denn Klinker ist der Hauptverursacher von CO2-Emissionen im Zementherstellungsprozess. Mit unserem Zement JURA ECO3 haben wir den Klinkeranteil bereits signifikant reduziert und durch einen natürlichen, regionalen Rohstoff ersetzt: kalzinierten Ton. Somit lassen sich bei der Betonherstellung mit diesem innovativen Zement die Emissionen gegenüber Beton mit klassischem Portlandkalksteinzement um über 20 Prozent senken. Nachhaltigkeit wird für Bauherren und Bauunternehmen immer wichtiger – nicht nur aus regulatorischen Gründen, sondern auch, weil klimafreundliches Bauen ein echter Wettbewerbsvorteil ist.

Wieso haben Sie sich für diesen Ersatzstoff entschieden?

KF: Wir sind der erste industrielle Hersteller von kalziniertem Ton in der Schweiz. Der Rohstoff stammt aus unserer Grube in Cornaux (NE) und wird vor Ort bei 800 Grad Celsius kalziniert – im Vergleich zu den rund 1 450 Grad Celsius, die für die Klinkerherstellung erforderlich sind. Diese niedrigere Temperatur bedeutet deutlich weniger Energieaufwand und eine geringere CO2-Belastung. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Kalzinierungsprozess von Ton selbst kein CO2 ausstösst – im Gegensatz zur Kalzinierung von Kalk und Mergel.
HE: Unsere Forschungsabteilung arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung kohlenstoffarmer Zemente. Dabei haben wir uns bewusst gegen den Einsatz industrieller Klinker-­Ersatzstoffe wie Flugasche oder Hochofenschlacke entschieden, denn ihre Verfügbarkeit nimmt im Zuge der weltweiten Dekarbonisierung ab.

Und wie sieht es bei den Energiequellen aus?

HE: Seit den 2000er-Jahren haben wir den Kohleverbrauch in unseren Zementwerken kontinuierlich reduziert und durch alternative Energiequellen wie Altreifen, Kunststoff-, Lösungsmittel- und Holzabfälle ersetzt. Damit leisten wir einen Beitrag zur Abfallverwertung und verbessern gleichzeitig unsere CO2-Bilanz. In Wildegg macht Kohle bereits weniger als 15 Prozent unseres Energiebedarfs aus, und mit der bevorstehenden Inbetriebnahme unserer eigenen Altholzverwertungsanlage können wir mittelfristig in Wildegg ganz auf konventionelle Brennstoffe verzichten.

Baustoffkreislauf am Beispiel von Beton

Gibt es noch andere Wege, die rohstoffintensive Baustoffindustrie klimafreundlicher zu gestalten?
KF: Wir denken global, handeln jedoch lokal. Unsere Industrie ist traditionell stark in den Regionen verankert, wo wir unsere Kies- und Sandgruben betreiben. Indem wir unsere Rohstoffe lokal gewinnen, vermeiden wir auch hier lange Transportwege bis zu den Baustellen. Das spart nicht nur CO2-Emissionen, sondern stärkt auch die lokale Wirtschaft. Darüber hinaus tragen wir Sorge zur Umwelt, indem wir neben unseren Abbaustandorten Ausgleichsflächen zum Schutz und Erhalt der Biodiversität klar definieren. Dank zahlreicher Umweltschutzmassnahmen sind sogar vier unserer Werke als naturnahe Biotope für seltene Tier- und Pflanzenarten von der Stiftung Natur & Wirtschaft zertifiziert worden.

Wie würden Sie die Unternehmenskultur von JURA Materials beschreiben?

HE: Wir leben die Werte unserer Muttergesellschaft, der CRH Group, sind aber gleichzeitig tief in der Schweiz verwurzelt. JURA Materials gibt es seit 143 Jahren, seit der Gründung unseres ersten Zementwerks in Aarau. Diese Geschichte bedeutet uns sehr viel, und wir sind stolz darauf. Was uns besonders auszeichnet, ist die enge Beziehung zu unseren Kunden. Wir verkaufen nicht nur Produkte, sondern bieten Lösungen, die ihnen helfen, ihr Geschäft weiterzuentwickeln.
KF: Unsere Teams sind eine einzigartige Mischung aus verschiedenen Kulturen, Fähigkeiten und Generationen. Diese Vielfalt bringt eine grossartige Energie mit sich: Erfahrene Fachleute mit viel Know-how treffen auf junge Talente mit frischen Ideen. Genau diese Kombination fördert Innovation und Zusammenarbeit und hilft uns, starke Leistungen und nachhaltige Lösungen zu liefern. Deshalb suchen wir immer Menschen, die etwas bewegen wollen, egal, ob es sich um erfahrene Experten oder junge Spezialisten handelt.

Wie steht es um die Digitalisierung bei der JURA-Materials-Gruppe?

HE: JURA Materials treibt die Digitalisierung mit verschiedenen Massnahmen aktiv voran. Wir führen derzeit schrittweise den elektronischen Lieferschein ein. In unseren Werken erproben wir digitale Lösungen für das Qualitätsmanagement: Mithilfe von KI analysieren wir grosse Datenmengen zur Zusammensetzung und Druckfestigkeit unserer Produkte, um die Rezepturen kontinuierlich zu verbessern. In unserem Zementwerk in Wildegg, wo wir Altreifen als alternativen Brennstoff nutzen, kommt eine KI-gestützte Anlage zur Objekterkennung und -klassifizierung zum Einsatz. Sie sortiert verschlungene Reifen aus, die nicht in die Vorbrennkammer passen, und reduziert manuelle Eingriffe um 95 Prozent.

Um der wachsenden Nachfrage nach klimafreundlichem Zement zu entsprechen, investiert JURA Materials in den Ausbau des Werks in Cornaux (NE).

Wo sehen Sie mittelfristig die Herausforderungen für die Baustoffindustrie und JURA Materials?
KF: Unsere Gruppe ist gut für die Zukunft aufgestellt, weil wir früh begonnen haben, unsere Prozesse zu dekarbonisieren und Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Jetzt geht es darum, diesen Weg konsequent weiterzugehen und den Pioniergeist zu bewahren, den wir bei der Entwicklung innovativer Prozesse und Produkte immer wieder gezeigt haben. Die grösste Herausforderung liegt dabei weniger in der Technik oder Energieversorgung, sondern zunehmend in administrativen Prozessen, etwa bei der Betriebsgenehmigung für neue Kies- und Steinbrüche. Es wäre bedauerlich, wenn wir auf lokale Ressourcen verzichten müssten, denn eine moderne Industriegesellschaft ist auf Zement und Beton angewiesen.

JURA Materials verwendet einheimischen, kalzinierten Ton als wichtigen Bestandteil im JURA ECO3 Zement.

JURA Materials in Kürze
Die JURA Materials ist ein traditionsreiches Schweizer Unternehmen, das 1882 in Aarau gegründet wurde. 1996 erhielt die Firma eine Holdingstruktur. Seit 2000 ist sie Teil der internationalen CRH-Gruppe. Als Anbieter ganzheitlicher Baustoff­lösungen deckt JURA Materials den gesamten Baustoffkreislauf ab – von der Rohstoffgewinnung über Produktion und Logistik bis zum Recycling. In Wildegg und Cornaux produziert sie Zement, in regionalen Werken verarbeitet sie Sand und Kies zu Beton und in Hasle liefert sie Asphaltlösungen. Zudem unterstützt sie ihre Kundschaft bei der Kreislaufwirtschaft und der
umweltgerechten Verwertung von Bauabfällen. Die Logistik sorgt für reibungslosen Transport, das
akkreditierte Labor TCC bietet Expertise in der Prüfung und Opti­mierung von Betonprojekten.

www.juramaterials.ch

Ziel von JURA Materials ist es, den durchschnittlichen Klinkergehalt der Zemente um 24 Prozent zu reduzieren, denn Klinker ist die Hauptquelle von CO2-Emissionen.
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